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Mit der
Werkreihe Sources präsentiert die Stuttgarter Architektin Dagmar Cavadini
ein kraftvolles künstlerisches Projekt, das ihren beruflichen Hintergrund
nicht nur reflektiert, sondern konsequent weiterdenkt. Seit vielen Jahren
plant und gestaltet Cavadini Gebäude - konstruktiv, klar, funktional. In
ihrer Kunst kehrt sie nun die Perspektive um: Während Architektur Räume
formt, formen ihre Bilder die Atmosphäre der Räume, in denen sie wirken. So
entsteht ein vielschichtiger Dialog zwischen konstruktiver Präzision und
intuitiver Freiheit, zwischen Materialerfahrung und emotionaler Resonanz.
Von der Architektur zur freien Kunst – ein Schritt mit Augenzwinkern
Cavadinis Weg in die Kunst ist kein Bruch, sondern eine Erweiterung. Ihre
Antwort auf die Frage, warum sie zusätzlich zur Architektur nun auch Kunst
macht, erzählt viel über ihre Anspruch: "Weil’s schneller geht, nicht
reinregnen kann und keine anerkannten Regeln der Technik erfüllen muss."
Diese Bemerkungen spiegeln ihren Anspruch wider, jenseits normierter
Anforderungen zu gestalten. In der Kunst findet sie eine Freiheit, die weder
DIN-Normen noch technische Abnahmen kennt – dafür aber Raum für Intuition,
Spontaneität und emotionale Tiefe.
Materialien mit Herkunft – die Ästhetik des Bauens
Die Werkstoffe, die Cavadini verwendet, haben eine Geschichte:
Pressspanplatten, Dispersion, Metallrahmen aus Stahl oder Aluminium,
Transparentpapier und Nägel. Es sind Materialien aus dem Alltag der
Baustelle – ursprünglich nüchtern, funktional, unscheinbar. In ihrer Kunst
verwandeln sie sich in expressive Bildträger und transformierte Oberflächen.
Ihre Herkunft bleibt spürbar: Die Robustheit des Pressspans, das Kühne des
Metalls, die Zartheit des Transparentpapiers – alles trägt zur Atmosphäre
der Werke bei. In der Kombination dieser Stoffe entsteht ein Spannungsfeld,
das typisch für Cavadinis Ansatz ist: Das Harte trifft auf das Fragile, das
Lineare auf das Bewegte, das Gebaute auf das Gewachsene. So werden die
Bilder selbst zu kleinen Architekturen – allerdings solchen, die offen
bleiben, atmen und sich ständig neu deuten lassen.
Die Malgeste: Dynamik, Bewegung und Energie
Cavadinis Arbeitsprozess ist körperlich, spontan, intuitiv. Mit großem
Pinsel, breiten Spachteln oder durch das Kippen flüssiger Farbe entstehen
großflächige, pulsierende Kompositionen. Das Transparentpapier dient dabei
nicht nur als gestalterisches Element, sondern als strukturelle
Intervention: Es erzeugt Einschübe, Lichtreflexe, Überlagerungen, die fast
wie Schichten eines Raums wirken. Die Farbigkeit ist intensiv, oft leuchtend
und kraftvoll. Sie wirkt nicht dekorativ, sondern energetisch. In manchen
Arbeiten integrieren Collagen zusätzliche Ebenen – emotionale Fragmente,
Gedankenansätze, symbolische Bezüge. Doch trotz dieser Einschreibungen
vermeiden die Werke Eindeutigkeiten. Cavadini will keine fertigen
Erzählungen vorgeben, sondern Impulse setzen, Resonanzräume öffnen,
Assoziationen anstoßen.
Geführte Freiheit: Die Symbolik des Offenen
Die Werke der Serie Sources bleiben bewusst vieldeutig. Linien, Flächen,
Verdichtungen und Bewegungen lassen sich nicht eindeutig zuordnen – sie
schwingen zwischen Abstraktion und symbolischer Bildsprache. Der Betrachter
wird eingeladen, eigene Quellen zu entdecken: Erinnerungen, Empfindungen,
innere Bilder. Die Kunst wirkt weniger durch das, was sie zeigt, als durch
das, was sie beim Betrachten auslöst. |
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